Beim Sommerempfang der Freien Wähler im Landkreis erfüllte der Wirtschaftsminister alle Erwartungen mit gewohnt markigen Sprüchen und scharfen Angriffen gegen die Ampel.

Am verregneten Sonntagvormittag zur besten Weißwurstzeit finden nur wenige Bürger ins Wirtshaus zum Strasser zum Sommerempfang, die keine bekennenden Freien Wähler sind. Voll besetzt ist der Saal daher zwar nicht, allerdings wird der stellvertretende Ministerpräsident umso lauter mit Klatschen und Jubelrufen in Gersthofen begrüßt. Der Ehrengast weiß, wie er sich dafür zu bedanken hat. „Ich bin früher gerne heimgekommen, und ich komme immer wieder gerne hierher.“ Eine Aussage, mit der Aiwanger schon den nächsten Applaus der Fangemeinde in Gersthofen abstaubt. 

      

Nach einer kurzen Begrüßung von Gersthofens 2. Bürgermeister Reinhold Dempf ließ ein schelmischer Spruch Aiwangers nicht lange auf sich warten. Auf die Frage, was für einen Winter der Niederbayer wegen der Gaskrise erwarte, verweist er selbstironisch auf seine enge Beziehung zu Winnetou: „Wenn die Indianer früh anfangen, Holz zu sammeln, dann wird es ein harter Winter“, witzelt der bayerische Vize-Ministerpräsident.

Danach war es allerdings vorbei mit dem lockeren Geplänkel, und Aiwanger schaltete in den Wahlkampfmodus. Angriffsziel war natürlich die Ampelregierung, und die erste Attacke galt der Energiepolitik, die der Landesvorsitzende der Freien Wähler als fahrlässig bezeichnete. Die Laufzeit der Atomkraftwerke nicht zu verlängern, sei ein großer Fehler. Zwar gebe es auch in seiner Partei Kritik an der Atomkraft, doch in der aktuellen Situation müsse man pragmatisch und nicht ideologisch handeln. Die Politik der Ampel würde den Wohlstand des Landes verspielen, so Aiwanger. „Dass der Verbraucher nicht weiß, ob man morgen noch Energie hat, das gab’s früher nur in der DDR!“ Ein Vergleich, mit dem der bayerische Wirtschaftsminister Gelächter und Applaus des Publikums erntete. Der „Anwalt der Handwerker und Bauern“, wie sich Aiwanger selbst nennt, wendete sich dem neu beschlossenen Entlastungspaket der Bundesregierung zu und beklagte eine fehlende Berücksichtigung des Mittelstands. „Das ist eine Entlastung für das Großkapital und Sozialempfänger“, empörte sich der Vize-Ministerpräsident. Als Beispiel dafür, dass die Ampel den Bezug zum normalen Bürger verloren habe, durften Robert Habecks widersprüchliche Aussagen über mögliche Insolvenzen von Bäckern im kommenden Winter herhalten. „Da möchte man Firmen, die zeitweise den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, zusperren, weil man es in Berlin nicht hinbekommt, einen ordentlichen Gaspreis zu machen,“ polterte Aiwanger. 

 

Die Partei des Bundeswirtschaftsministers rückte auch bei Aiwangers Lieblingsthema, der angeblichen Bevormundung der Bevölkerung, in den Fokus. „Ich habe es satt, dass mir ein Grüner sagt, was ich essen und trinken darf oder ob ich einen Waschlappen statt der Dusche benutzen soll.“ Hier herrsche immer noch Demokratie und Meinungsfreiheit, so Aiwanger. Das Publikum zeigte dieses Mal besonders viel Reaktion und stimmte mit lauten Pfiffen und Beifall zu.

Bei den eigenen Leuten hat Aiwanger das schon mal geschafft. Das Publikum ist begeistert. Als „bodenständig und Politik des gesunden Menschenverstands“ beschrieb ein Mann die Rede des Parteivorsitzenden, eine Frau nennt Aiwanger „humorvoll und realitätsnah“. Aiwanger wurde mit stehenden Ovationen und Begeisterungsrufen verabschiedet. 

Von Moritz Winkler, Augsburger Allgemeine 12.11.2022